Gesellschaft zur Erhebung der Rolltreppe

Dieter Lang

In einer Zeit, in der jedes Handeln, jede Tat einem Zweck dienen muss um eine Rechtfertigung zur Durchführung zu haben, gibt es nichts Befreienderes und Befriedigenderes als zwecklose Dinge zu tun.

Modell einer Rolltreppe

Photo: Dieter Lang

Wer würde behaupten, die Rolltreppe wäre eine gute oder eine schlechte Erfindung?

An manchen Orten ist sie so kurz, dass es schwer fällt zu glauben, der technische Aufwand würde sich lohnen. Anderseits transportiert sie stetig Passagiere über große Entfernungen nach einem effizienten Prinzip. Dabei macht das Transportmittel keinen Unterschied, ob nur eine Person befördert wird oder 50 zu gleich. Die Rolltreppe setzt sich für jedes Ausmaß an Auslastung in Bewegung, nimmt dabei aber keine Rücksicht auf die individuellen Bedürfnisse der BenützerInnen sondern bewegt alle gleichermaßen.

Wir sind umgeben und umgeben uns mit materiellen Dingen, die Glück und Erleichterung versprechen. Dieses Gefühl ist von kurzer Dauer und wir gewöhnen uns schnell an die überzeugende Beschaffenheit des selbst gebauten urbanen Raumes.

In einer Zeit, in der jedes Handeln, jede Tat einem Zweck dienen muss um eine Rechtfertigung zur Durchführung zu haben, gibt es nichts Befreienderes und Befriedigenderes als zwecklose Dinge zu tun.

Die „Gesellschaft zur Erhebung der Rolltreppe“ (GzEdR) hat diesen Transportapparat zum Gegenstand ihrer Auseinandersetzung „erhoben“. Der Ursprung der Technik stammt aus dem vorvorherigen Jahrhundert und hat sich bis heute kaum verändert. Neben den Technologien unserer Hochkultur könnte die Absurdität der gegensätzlichen Versprechen durch nichts anderes besser symbolisiert werden.

Modell of a metro station

Dieses Manifest entstand auf Papier, weil ein Verfassen auf einer Maschine nicht möglich war. Mit der Rolltreppe verhält es sich nicht anders. Die urbane Gesellschaft ist so sehr mit deren Vorhandensein vertraut, dass sie die Widersprüchlichkeit der Dinge und deren Bedeutung für sich verkennt.

Die GzEdR sucht nach den Problemen in der technischen Lösung „Rolltreppe“. Sie fordert eine Antwort auf die Fragen, die niemand stellt. Wodurch der Eindruck auch entstehen mag, die Auseinandersetzung mit der Rolltreppe sei nicht von Bedeutung, so ist sie jedenfalls amüsant. Auf den Verdacht hin, dass es sogar essentiell sein könnte, kümmert sich die GzEdR um die Durchführung von Untersuchungen und Experimenten und strebt damit nach urbaner Innovation.

Das Prinzip der Verbesserung ist in der urbanen Gesellschaft immer präsent, dass wir verlernt haben darauf zu vertrauen, dass die Verwirklichung unserer gebauten Realität schon grundsätzlich abgeschlossen ist.

Die GzEdR bedient sich verschiedenster Methoden der Annäherung an eine mögliche Zukunft und sorgt dadurch für ein Gefühl der Weitsicht.

Die Rolltreppe hat unsere Fortbewegung räumlich und zeitlich messbar gemacht. Jetzt messen wir sie zurück! Von der Kürzesten bis zur Längsten, von der Frequentiertesten bis zur Verlassensten, von der Periphärsten bis zur Zentralsten, von der Realsten bis zur Surrealsten, alle Rolltreppen werden von der GzEdR als Objekt der Auseinandersetzung anerkannt. Dabei wird ihr Ausmaß in Relation zu unserem Körper erfahrbar.

Die GzEdR ordnet das Gemessene in ein System und stellt Zusammenhänge her. Sie sammelt Gegenstände, die mit der Rolltreppe in Verbindung stehen. Der Art der Auseinandersetzung sind dabei keine Grenzen gesetzt, solange sie aus ökonomischer Sicht nicht rentabel sind.

Die bisherigen Aktionen der GzEdR erregten kaum Aufmerksamkeit. Jene wenigen, die sie doch erkannt haben, waren gleichzeitig überrascht und fasziniert.

Nehmen wir uns ein Beispiel an der Beschaulichkeit mit der Jaque Tati die moderne Welt in seinem Film „Playtime“ betrachtet. Er erhebt ihre absurde Zusammensetzung zu seiner Kunst und stellt dies in seinen Unfällen darin dar.

So unwirksam die Auseinandersetzung mit der Rolltreppe erscheinen mag, gerade das macht den Reiz aus, warum sich die GzEdR diesem Transportmittel auf unbestimmte Zeit annimmt und darauf vertraut, etwas zu finden, das gegenwärtig noch nicht vorstellbar ist.

Dem Ausmaß der Auseinandersetzung sind dabei keine Grenzen gesetzt. Solange es Rolltreppen geben wird, soll auch die Gesellschaft weiter bestehen.

Der Gründer der Gesellschaft

Dieter Lang

13.Juni 2015, an der kürzesten Rolltreppe in Wien, Schottentor, Österreich

 

Time
Summer 2015
Location
Vienna
Team
Dieter Lang